OP Termin

Wie den meisten bekannt sein dürfte, hat sich das Fräulein Wunder Ende November den Arm gebrochen. Da Elle und Speiche gebrochen waren und diese schief zu einander standen, mussten die Knochen mit Drähten fixiert werden. Dies geschah in einer einstündigen OP und zog einen zweitägigen Krankenhausaufenthalt nach sich.

Diese Drähte mussten nun wieder entfernt werden. Eigentlich, so stand es im Patientenbrief der Klinik in Regensburg, nach drei bis vier Monaten. Ich dachte mir also, es kann nicht schaden frühzeitig einen Termin bei einem hiesigen Chirurgen zu vereinbaren. Den bekamen wir auch prompt innerhalb einer Woche. Erst einmal zur Vorbesprechung. Ich berichtete. Und nachdem die Röntgenaufnahmen in Ordnung waren, stand einer früheren Entfernung der Drähte nichts mehr im Weg.

Am Donnerstag war dann also der Tag gekommen, an dem die OP statt finden sollte. Wir hatten dienstags davor einen Termin beim Kinderarzt, der versicherte, dass das Fräulein gesund und narkosefähig sei.

So wirklich Lust hatte das Fräulein Wunder natürlich nicht und dieser Termin beschäftigte sie auch die ganze Woche über. Sie erzählte ihrer Erzieherin wohl immer mal wieder davon. Zu Hause ließ sie sich eher weniger anmerken. Wenn wir sie fragten, wie sie sich denn fühle und was sie über die OP denke, erklärte sie zwar wahrheitsgemäß, dass sie schon Angst hätte und warum denn das überhaupt nötig sei, aber von sich aus ignorierte sie dieses Thema zu Hause lieber. Etwas, was mich immer mal wieder gedanklich beschäftigt. Warum erzählt sie davon im Kindergarten und nicht zu Hause? Aber dies nur am Rande.

Ursprünglich sollte die OP nachmittags um 15.00 Uhr stattfinden. Sechs Stunden davor durfte das Fräulein nichts mehr essen, zwei Stunden vorher nichts mehr trinken. Da hätte sie also morgens um neun das letzte essen dürfen und dann erst wieder nach der OP, was ja durchaus auch fünf oder sechs Uhr hätte sei können. Ich vereinbarte mit der Erzieherin, dass ich sie bis halb zwölf im Kindergarten lassen würde (die Zeit, wo die Kinder gemeinsam einen Mittagssnack zu sich nehmen), damit sie ein bißchen abgelenkt ist.
Gott sei Dank erfuhr ich dann aber einen Tag vor der OP, dass diese auf 10.30 Uhr vorverlegt worden war. Das bedeutete zwar kein Frühstück und um kurz nach Acht die letzten Schlucke Wasser, aber da das Fräulein sowieso kein Frühstücksmensch ist, war das für sie gar kein Problem.

Um zehn erreichten wir die chirurgische Praxis. Es folgte ein Gespräch mit dem Narkosearzt, in dem wir über die üblichen Risiken aufgeklärt wurden und kurz darauf kam eine Schwester und brachte einen Saft, den das Fräulein Wunder trinken sollte. Der würde sie schläfrig machen und nach der OP dafür sorgen, dass sie weniger Schmerzen hat.
Leider war dieser Saft weiß, genau so wie die Schmerzmittel, die sie in der Klinik in Regensburg bekommen hatte. Und das hatte schon damals überhaupt nicht geschmeckt. Sie weigerte sich also strikt, den Saft zu nehmen.
Es ist schon ein komisch Gefühl, wenn man sein Kind zu etwas überreden muss, das es so gar nicht will, weil man genau weiß (und die Schwester es angedeutet hat), dass das Kind sonst festgehalten und das Zeug gegen seinen Willen eingeflößt bekommt. Das wollte ich auf keinen Fall. Ich habe gefleht und gebettelt, erklärt und geredet und es nützte Null Komma Null. Am Ende drückte ich ihr mein Handy in die Hand und ließ sie eine Runde von irgendeinem Spiel spielen, damit sie den ekligen Geschmack nicht so mitkriegt. Gott sei Dank funktionierte das, auch wenn es ihr sichtlich schwer viel, das Zeug auch zu schlucken, nachdem es in ihrem Mund war. Ich hätte ihr durchaus zugetraut, alles wieder auszuspucken, aber das passierte zum Glück nicht.

Von diesem Saft wurde das Fräulein Wunder extrem lustig. Sie lallte nur noch, grinste die ganze Zeit vor sich hin und wurde auf meinem Schoß extrem schwer. Ich hätte durchaus auch nen kräftigen Schluck von dem Zeug vertragen können. Sie konnte dann auch gar nicht selbst in den OP laufen, so dass ich sie getragen habe. 22 Kilo, weißte Bescheid.
Nachdem ich mir dann einen weißen Papierkittel und ne Haube angezogen habe, über die sich das Fräulein in ihrem Rausch köstlich amüsiert hat, konnte ich sie auf den OP-Tisch legen und sie bekam einen Zugang gelegt. Sie war durchaus noch wach, aber besah sich die ganze Prozedur eher distanziert und interessiert. Angst hatte sie keine mehr. Ich hatte nicht einmal mehr so wirklich die Gelegenheit ihr eine gute Nacht zu wünschen, da schlief sie bereits.
Diesmal fiel es mir etwas leichter, das Fräulein Wunder zu verlassen. Vielleicht, weil ich nicht wirklich weit weg von ihr saß, vielleicht auch, weil diese Praxis und damit auch der OP-Raum nicht ganz so furchteinflößend war, wie ein großes Krankenhaus. So ein bißchen war mir natürlich schon das Herz schwer, aber ich wusste sie immerhin in guten Händen.
Ich saß dann etwa eineinhalb Stunden vor dem OP-Raum und habe versucht zu lesen. Die Praxis leerte sich merklich und als ich dann endlich zu ihr durfte, war nur noch eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn im Aufwachraum übrig.

Das Fräulein Wunder schnarchte noch selig, als ich zu ihr kam. Der Arzt erklärte mir, sie hätte wohl recht viel gehustet und danach so etwas wie kleine Atemaussetzer gehabt, deshalb hätte man sie jetzt etwas länger beobachtet. Jetzt scheine sie aber okay zu sein. Sie bekomme zur Vorsicht aber etwas Sauerstoff und sie war durch einen Klipp am Finger mit einem Herzmonitor verbunden.
Wir stellten gemeinsam fest, dass ihre Bronchien sehr sensibel reagieren und der Arzt meinte, da sei wohl ein Infekt im Anmarsch. Ich solle sie jetzt auf jeden Fall erst einmal schlafen lassen. Und das tat sie dann auch. Zwei Stunden lang. Dann hustete sie ganz komisch, röchelte und machte dann gar nix mehr. Panik!
Ich rieb ihr etwas über den Rücken, versuchte sie zu wecken, damit sie weiter atmet. Was sie dann auch irgendwann tat. Aber mir war das trotzdem extrem unheimlich. Also ging ich raus in die Praxis und rief in einen leeren Flur zu einer unbesetzten Anmeldung „Hallo?“. Es kamen dann auch gleich drei Schwestern angerannt, kontrollierten die Sauerstoffsättigungen und beruhigten mich, dass alles in Ordnung sei. Das Fräulein wache jetzt so langsam auf und da sei das in ihrem Fall ganz normal.

Es dauerte noch etwa eine halbe Stunde, bis das Fräulein tatsächlich die Augen öffnete. Sie war ziemlich desorientiert, weinte die meiste Zeit und nuschelte immer wieder, ob wir jetzt endlich nach Hause gehen könnten. Es dauerte noch etwa eine Stunde, bis sie so weit bei sich war, dass sie aufstehen und mit zum Auto gehen konnte. Bis dahin wollte sie weder etwas essen noch trinken. Sie war dann auch noch etwas wackelig und ich musste sie ein wenig stützen, aber es ging doch recht gut. Bis wir zu Hause waren, hatte sie dann ihren Einbackkringel komplett verputzt und einen kleine Beutel Apfel-Kirsch-Saft getrunken. Das beruhigte mich irgendwie ungemein.

Als wir schließlich zu Hause ankamen, war sie wieder ganz da und eigentlich wie immer. Der restliche Abend wurde trotzdem ruhig mit nem Film und ner TK-Pizza gestaltet, bevor es dann ohne Probleme ins Bett ging (ich hatte ja befürchtet, dass sie durch ihren unfreiwilligen Schlaf viel zu wach sei um zu schlafen).

Jetzt müssen wir nur noch sehen, wie wir den Verband von ihrem Arm wieder runter bekommen. Denn nichts hasst das Fräulein Wunder mehr, als Pflaster zu entfernen und dieser Verband ist so einer von der selbstklebenden Sorte. Bisher weigerte sich das Fräulein strickt, aber spätestens morgen zum Baden muss das Ding ab. Egal wie.

Wir haben also die OP gut überstanden und ich bin froh, dass uns das jetzt nicht mehr im Nacken sitzt. In einer Woche ist noch einmal ein Kontrolltermin, dann können wir das Thema „gebrochener Arm“ endlich abschließen. Immerhin habe ich ganz viel aus diesem ersten Mal gelernt und bin für das nächste Mal entsprechend gerüstet. Was nicht heißen soll, dass ich mein Gelerntes unbedingt noch einmal anwenden muss.

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